Zählwort

29.09.2017 -  

Auch: Zähleinheitswort, Kategoriewort, Zahlklassifikator, Numeralklassifikator, Klassifikator, Zählklassenwort,Zähleinheiten- oder Messeinheitenwort. In einigen Sprachen eine notwendige Ergänzung zu Zahlwörtern, die bei der Bildung von Mengenangaben und des Plurals als Zähleinheit genutzt wird. Ein Z. befindet sich zwischen Zahlwort- und Substantiv, steht strikt zum Numerale und meist in unflektierter Form (zwei Stück Vieh, zwei Blatt Papier, acht Mann Besatzung).

Als Zählwörter, die z.T. fast nur in dieser Funktion benutzt werden können, werden im Deutschen folgende Elemente verwendet:

1. Maßeinheiten: Pfund, Kilo(gramm), Liter, Meter, Hektar, Tonne, Kubikmeter. Außerdem zählen dazu diverse heute nicht mehr genutzte Maßeinheiten wie z.B. Elle, Fuß, Scheffel.

2. Behältnisse, die als Maßeinheiten fungieren oder die bestimmte Stoffe umfassen: Flasche, Dose, Glas, Tasse, Löffel, Becher, Tüte, Kasten, Kiste, Fass, Sack. Bei diesen Einheiten ist auch die Kombination mit einer Präposition möglich: ein Glas mit Tee (statt: ein Glas Tee).

3. Teileinheiten bei festen Stoffen (Stück, Scheibe (Fleisch, Wurst, Käse, Brot u.a.), Schnitte (Brot), Stange (Spargel), Blatt (Papier), Bogen (Papier), Kopf (Salat), Ballen (Tuch), Tafel (Schokolade). Hier existieren zwischen den einzelnen Sprachen teilweise große Differenzen.

4. bündelnde Elemente: Bund (ein Bund Petersilie), Paar (fünf Paar Schuhe).

5. Sorten: Arten, Marken, Typen, Rassen.

Sorten nehmen eine Abgrenzung des jeweiligen Konzeptes vor, jedoch bedienen sie sich nicht physikalischer Mittel, sondern streben eine Unterteilung anhand qualitativer Kriterien des Abzugrenzenden an (z.B. drei Arten Nüsse)

6. Gruppen/Kollektivkonstruktionen lassen sich über das Zusammengefasste definieren: Gruppe von Studenten, Rudel Wölfe, Herde Kühe

Sie werden exklusiv für semantisch zählbare Konzepte verwendet.

Zu den Sprachen, in denen Zählwörter obligatorisch sind, gehören besonders sinotibetische Sprachen (z.B. Chinesisch) und die Kami-Tai-Sprachen (bspw. Thai). Dort ergeben Zahl und Zählwort zusammen ein Zahlwort. Ein Z. kann sich nur mit Bezeichnungen für wenige bestimmte Dingklassen verknüpfen. So können Tische nicht direkt gezählt werden, sondern müssen einer Klasse zugeordnet sein, im Chinesischen wären dies bspw. Klassen wie zhāngfür ‘Ausdehnung’, im Japanischen die Klasse kyaku ‘Fuß’:

4 zhāng Tische                       Tische 4-kyaku

Weil Dinge mit Walzenform zur japanischen Klasse bon ‘Wurzel’ gehören und Gedichte zu shu ‘Kopf’, werden vier Bäume und vier Gedichte so gezählt:

Bäume 4-bon                       Gedichte 4-shu

Eine Einordnung ist bei manchen Klassen nachvollziehbar, etwa von der Gestalt her, bei manchen repräsentiert ein Teil das Ganze wie chin. ‘Mund’ für Mensch. Doch bei einzelnen ist die Relation nicht sofort ersichtlich, wenn im Japanischen Autos zu ‘Türmen’ gerechnet werden. Da es aber auch gewissermaßen Stühle sind, auf denen man sitzt und getragen wird, wird ein Auto auch als ‘fahrender Stuhl’ gedacht. Wenn im chin. tiao ‘kleiner Zweig’ als Klassenwort für alle langen Dinge (Hosen, Gürtel, Fäden) verwendet wird, lässt sich nicht erschließen, warum auch Ochsen und Mörder zur betreffenden Klasse gehören. Viele Zählklassen verweisen auf eine sehr alte und dinggebundene Zählweise. Diese vereinzelt die Welt der Dinge noch deutlich und erkennt in jedem Ding seine Besonderheit.

Bestimmte Sprachen verfügen über Sonderzählreihen. So gibt es bei Naturvölkern für verschiedene Dinge, etwa für Lebendiges, runde Dinge, Tage u.a., je eine spezielle Zählreihe. So sieht die Zählung eines südamerikanischen Indianer-Stammes (in Britisch-Kolumbien) folgendermaßen aus:

  1 2 3
Lebendiges menok maalok yatuk
runde Dinge menkam masem yutsqsem
lange Dinge ments´a mats´ak yututy´ak
Tage op´enequls matlp´enequls yutqp´enequls usw.

‘2 Menschen’ bedeutet hier also ‘maalok Menschen’, ‘2 Tage’, aber ‘matip´enequls Tage’.

Dies wird nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass sich der frühe Mensch seiner Umwelt näher fühlte und noch keine Gattungsbegriffe kannte, wodurch für ihn ein Hase auch nur diese eine echte Hase war.

Lit.: Aikhenvald, Alexandra Y., Classifiers: A Typology of Noun Categorization Devices. 2000. Engelen, B., Schwierige sprachliche Strukturen: Aufsätze zur deutschen Grammatik.  2010.Menninger, K., Zahlwort und Ziffer: Eine Kulturgeschichte der Zahl. 1979.Mitsunobu, Y., Klassifikatoren im Japanischen und im Deutschen – Eine kontrastive Analyse. In: Japanische Gesellschaft für Germanistik (Hrsg.), Neue Beiträge zur Germanistik. Bd. 5, Heft 3. Internationale Ausgabe von „Doitsu Bungaku“. 2006. Stadtfeld, T., Zur Bestimmung der Zählbarkeit deutscher Substantive. 2013. HLD

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