Tag question

30.01.2017 -  

[engl. tag question, frz. question en appendice, russ. расчлененный вопрос] (engl. tag ‘Anhängsel’)

Auch: Frageanhängsel, Refrainfrage, Nachziehfrage. Besonderer Typ der (syntaktisch betrachtet) Entscheidungsfrage oder (pragmatisch betrachtet) Suggestivfrage, bei der festgelegt werden soll, ob der suggerierte Sachverhalt zutreffend ist oder nicht (vgl. engl. isn´t it? frz. n´est-ce pas?).Der Fragende suggeriert, dass er nur eine spezielle, von ihm erwünschte Antwort tolerieren wird. Durch hinzugefügte Entscheidungsfragen wie Tag questions wird die Proposition des Satzes nachträglich als „nicht sicher“ gekennzeichnet. Als mögliche Antwortvarianten sind nur ja oder nein, ggf. auch Modaladverbien ( Modaladverb) wie wahrscheinlich, sicher, möglicherweise oder kaum zu nennen. Im Dt. wird die T.q. dadurch gebildet, dass man an einen Aussagesatz eine Fragewendung wie z.B nicht?, nicht wahr?, regional auch woll?, gell?, ne?/nech?, wa?, oder? usw. anhängt. Damit wird ein verkürzter Fragesatz konstituiert, der als Nach- oder Vergewisserungsfrage dient: ‘(Ist es) nicht (so)?’ bzw. ‘(Ist es) nicht wahr?’

In den meisten Sprachen wird die T.q. eher umgangssprachlich und weniger formal verwendet. Sie ist ein Indikator für Höflichkeit, aber zuweilen auch ein Hinweis auf Ironie. Sie suggeriert entweder Selbstbewusstsein oder dessen Mangel, sie kann konfrontierend wie defensiv gebraucht werden. Obwohl grammatisch wie eine Entscheidungsfrage aufgebaut, ist sie eher als eine rhetorische Frage zu verstehen. Für die Gesprächsanalyse ist die T.q insofern interessant, als sie die Möglichkeit des „turn taking“, d.h. der Gesprächsschrittübernahme und damit des Sprecherwechsels, bietet. Der Fragende fordert mit einer T.q. den Kommunikationspartner gewissermaßen auf, das Wort zu ergreifen und ihm (zustimmend) zu antworten oder zumindest zustimmend rückzumelden ( Rückmeldungsverhalten, Back-channel-behavior), wodurch das Gespräch aufrecht erhalten wird. In beiden Fällen ist die T.q. zugleich Gliederungssignal. Nicht selten erfolgt im Anschluss an die T.q. ein Sprecherwechsel.

Tag questions können entweder in Form eines Einzelwortes oder in einer festen Phrase erscheinen. In vielen Sprachen ist die T.q. positiv oder negativ gekennzeichnet. Das Russische erlaubt да? (‘ja’), während im Spanischen bzw. Italienischen (neben ¿verdad? bzw. vero?) auch ¿no? bzw. no? verwendet werden. Einige Sprachen haben sogar spezielle Wörter, die nur als T.q. gebraucht werden. In bestimmten englischen Dialekten wäre eh? als Beispiel zu nennen.

Englische Tag questions sind sehr komplex, da hier drei verschiedene Faktoren bestimmend sind: die Wahl der Hilfsverben ( Hilfsverb), die Negation und die Intonationsart. Die englische T.q. besteht aus einem Hilfsverb und einem Pronomen. Das Hilfsverb muss hinsichtlich der Zeitform, der Modalität und des Themas zum vorherigen Satz passen. Steht das Verb im Present Perfect, erscheinen in der T.q. nur die Hilfsverben has oder have, im Falle der Verwendung der Verlaufsform werden in der T.q. entsprechende Personalformen von to be benutzt:

    He's read this book, hasn't he?
    He read this book, didn't he?
    He's reading this book, isn't he?
    He reads a lot of books, doesn't he?
    He'll read this book, won't he?
    He should read this book, shouldn't he?
    He can read this book, can't he?
    He'd read this book, wouldn't he?
    He'd read this book, hadn't he?

Ein besonderer Fall tritt ein, wenn das Hauptverb to be in einer einfachen Zeitform steht. Dann wiederholt die T.q. das Hauptverb: This is a book, isn´t it?

Außerdem existieren im Englischen positive wie negative Formen von Tag questions. Im Allgemeinen gilt die Regel, dass ein positiver Satz eine negative T.q. nach sich zieht und umgekehrt. Das sind sogenannte ausgeglichene Tag questions: She is French, isn't she?  She's not French, is she.

Unausgeglichene Tag questions vereinen eine positive Aussage mit einer positiven T.q. Diese werden ironisch gebraucht: Do listen, will you?

Englische Tag questions können einem steigenden oder einem fallenden Intonationsmuster folgen. Dies steht im Kontrast zum Polnischen, Französischen und Deutschen, bei denen generell ein steigendes Muster zu erkennen ist. Als Regel gilt, dass das steigende Muster genutzt wird, wenn zu einer Aktion gedrängt oder eine Antwort gefordert wird: You´re coming, aren't you? Das fallende Intonationsmuster wird zur Betonung einer Aussage verwendet. Der Tag ähnelt akustisch einem Echo: This is really exiting, isn't it?

Lit.: Blidschun, C., Systemstrukturen des Deutschen. In: WespA (Würzburger elektronische sprachwissenschaftliche Arbeiten) Bd. 11. Hrsg. von Klein, W.P., Schwitalla, J. et al. Online abrufbar: https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/files/5161/BlidschunWespA11.pdf. (Letzter Zugriff: 03.06.2016).  Bublitz, W., Die englischen tag-Questions in den traditionellen Grammatiken. In Gutknecht, Chr. (ed), Contributions to Applied Linguistics II. 1975,105-141 (= Forum Linguisticum 7). Ders., Tag questions, transformational grammar and pragmatics. In: Papers and Studies in Contrastive Linguistics IX (Poznán). 1979, 5-22. Ders., Formen der Verständnissicherung in Gesprächen. In: Brinker, K./Antos, G./Heinemann, W./Sager, S.F. (Hrsg.), Text- und Gesprächslinguistik. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 2. Halbbd. 2001, 1330-1340. Duden. Die Grammatik. 82009. Henne, H./Rehbock, H., Einführung in die Gesprächsanalyse. 4., durchges. u. bibl. erg. Aufl. 2001 (= De Gruyter Studienbuch). Hentschel, E./Weydt, H., Handbuch der deutschen Grammatik. 42013. HLD

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