Kirchenslawisch

10.01.2016 -  

[engl. church slavonic language, frz. slave ecclésiastique, russ. церковнославянский язык]

Auch: Altkirchenslawisch. Altslawische Literatursprache des 11. bis 18. Jh. Ihrer Herkunft nach ist es eine altslawische ( Altslawisch, Slawische Sprachen) Sprache. Es werden folgende regionale Varianten des K. unterschieden: Ostslawisch, Bulgaro-Mazedonisch, Serbisch, Kroatisch-Glagolitisch, Tschechisch und Rumänisch. Der Terminus Literatursprache kommt ursprünglich vom lat. littera ‘Buchstabe’ (vgl. auch lat. litteratura ‘das Geschriebene’, ‘Manuskript’, ‘Aufsatz’). In Bezug auf das Russ. wird dieser Terminus in zwei Bedeutungen gebraucht:

 

  • das moderne Russ. (18.-20. Jh.) betreffend bedeutet er die standardisierte Sprachform, die alle Sphären des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens des Volkes bedient,
  • die Sprache des Mittelalters (10.-12. Jh.) betreffend bedeutet er die Sprache der religiös-philosophischen, historischen, wissenschaftlichen und schöngeistigen Literatur. Da die geschäftlichen Dokumente und Privatbriefe des Mittelalters nicht zur Literatur gehören, wird ihre Sprache nicht zur Literatursprache gezählt. Einige Linguisten nennen die Sprache des 10.-17. Jh.s nicht Literatur-, sondern Schriftsprache. Diese ist nicht mit der altruss. Literatursprache gleichzusetzen und auch nicht als deren Ausgangspunkt zu betrachten, sie nahm aber auf deren Herausbildung und auf ihre Entwicklung sehr großen Einfluss. Das K. war in Rus’ in erster Linie die Sprache der orthodoxen Kirche. In dieser Sprache schrieb man alles, was mit der Kirche zu tun hatte (vor allem die Bibel die erste Gesamtausgabe aller Bücher der Bibel erfolgte Ende des 15. Jh.s und enthielt 2000 Seiten. Auf der Grundlage dieser Bibel entstand die erste gedruckte Heilige Schrift (erschienen in 1581 in Ostrog)). Die erste Bibel auf Russisch erschien im 19. Jh., die Gesamtausgabe die sog. synodale Übersetzung im Jahr 1876. Die Bibel in dieser Übersetzung wird (allerdings nach der neuen Orthographie) bis heute benutzt. Man schrieb in K. aber auch politische, historische und wissenschaftliche Aufsätze. Die ältesten überlieferten altruss. kirchlichen Schriften sind das Ostromir-Evangelium, das 1056/57 für den Novgoroder Statthalter Ostromir abgeschrieben wurde, ein Sammelband für den Kiever Fürsten Svjatoslav von 1073, Handschriften von Menäen 1095-1097 u.a.m. Man übersetzte außerdem einiges aus dem Griech.: Lebensbeschreibungen, kirchliche Ordnungen, historische und geographische Literatur (wie z.B. „Die Geschichte des Jüdischen Krieges“ von Joseph Flavius, dem Historiker und Feldherr, 1. Jh. u.Z.). Die Hohen Geistlichen in Kiewer Rus’ beherrschten Griechisch, da der Gottesdienst der Erzpriester in dieser Sprache abgehalten wurde. Einige griech. Wörter und Wendungen, die man im Gottesdienst benutzte, wurden, in der Umgangssprache umgedeutet. Das Verb куролесить (‘Streiche/Dummheiten machen’) stammt vom griech. κύριε ελέησου («Господи, помилуй» ‘Herr, erbarme dich’), die veraltete Interjektion исполать («хвала», «слава» (‘Lob, Preis’) «Исполать тебе, добрый молодец»), geht auf das griech. εις πολλα ετη («Многая лета») zurück. Außer der Übertragungen aus dem Griechischen gab es in Alten Rus’ die Übersetzungen aus dem Lateinischen, Hebräischen, Tschechischen, Polnischen und Deutschen. Das K. wird seit dem 18. Jh. nicht mehr als Schriftsprache verwendet, es lebt jedoch als Sprache des orthodoxen Gottesdienstes fort.

Literatursprache, Schriftsprache

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