Ambiguität

Auch: Ambivalenz, Amphibolie, Mehr- bzw. Vieldeutigkeit.

1. Die Mehrdeutigkeit eines Einzelzeichens (→ Lexem, → Derivatem, → Grammem, → Kompositums), lexikalische A., d.h. → Homonymie, → Polysemie und → Multisemie. Aufzug ist ambig, weil es, je nach Kontext, ‘Akt in einem Schauspiel’, ‘Fahrstuhl’, ‘Aufmachung, Kleidung’, ‘festlicher Umzug’ u.a. bedeuten kann. Das Verbpräfix ver- drückt in verreisen ‘weg, woandershin’, in verglasen ‘hinzu’, in verblühen ‘zu Ende’ und in sich versprechen ‘fälschlich’ aus. Das grammatische → Suffix -en ist vieldeutig, weil es verschiedene Kasus- und Numerus- sowie Verbformen indiziert. Aufgrund der offenen Beziehung zwischen Grund- und Bestimmungswort sind viele Komposita (→ Kompositum) ambig: Ein Gastgeschenk kann ein Geschenk des Gastes oder des Gastgebers sein.

2. Auf syntaktischer Ebene die Eigenschaft eines komplexen → Zeichens, im Rahmen einer bestimmten Syntaxtheorie bzw. eines bestimmten Grammatikmodells aufgrund unterschiedlicher Strukturbeschreibungen mehr als eine Interpretation zu besitzen. Insofern unterscheiden sich ambige Ausdrücke von vagen (→ Vagheit) oder polysemen, die aufgrund nicht-struktureller Faktoren, etwa aus autonom-semantischen oder pragmatischen Gründen, als mehrdeutig bestimmt werden. Im Gegensatz dazu ergeben sich Ambiguitäten aus der Mehrdeutigkeit der Formkennzeichnungen, wie dies im Dt. z.B. aufgrund der → Isomorphie des Genitivs (→ Genitiv) und des Dativs (→ Dativ) der Feminina der Fall ist, die in Sätzen wie Er kauft das Auto seiner Schwester zum Entstehen verschiedener grammatischer Strukturzusammenhänge (Dativ-Objekt – Genitiv-Attribut) führen kann.

Lit.: Egg, M., Semantic Underspecification. In: Maienborn, C./Heusinger, K. von/Portner, P. (eds.), Semantics. An International Handbook of Natural Language Meanin. Vo. 1. 2011, 535-574. Empson, W., Seven Types of Ambiguity. 31953 [repr. 1995]. Fries, N., Ambiguität und Vagheit. 1980. Gorfein, D.S., Resolving Semantic Ambiguity. 1989. Kennedy, Chr., Ambiguity and Vagueness. In: Maienborn, C./Heusinger, K. von/Portner, P. (eds.), Semantics. An International Handbook of Natural Language Meanin. Vo. 1. 2011, 507-535. Löbner, S., Semantik. Eine Einführung. 22015. Zimmermann, Th.E., Einführung in die Semantik. 2014, 19ff. AB

Letzte Änderung: 17.01.2024 - Ansprechpartner: Webmaster