Weglassprobe

Auch: Abstrichprobe, Deletionsprobe, Reduktionsprobe, Eliminierungstest, Tilgung. Von H. Glinz (1952, 93f.) bzw. Helbig/Schenkel (1983, 33; zuerst 1969) eingeführter grammatischer Test im Bereich der → Syntax, der als ein operationales Verfahren verstanden wird, mit dem ermittelt werden kann, welche Satzglieder (→ Satzglied, → Konstituente) in einem Satz nicht unbedingt erforderlich sind und daher weggelassen werden können, ohne dass der verbleibende Rest ungrammatisch wird. Man reduziert die Elemente des Satzes so lange, bis ein grammatisch richtiger und vollständiger (Minimal-)Satz übrig bleibt.

In der → Dependenzgrammatik bzw. Valenztheorie unterscheidet man zwischen Ergänzungen (Subjekt, Objekte sowie z.T. auch adverbiale Bestimmungen, die vom Verb als obligatorische oder fakultative Satzglieder (→ Aktant) verlangt werden) und (freien) Angaben (→ Angabe), die als „Restklasse“ angesehen werden. Mithilfe der W. lassen sich die fakultativen Ergänzungen und Angaben dadurch ermitteln, dass sie aus dem Satz problemlos entfernt werden können, weil sie für die Grammatikalität des Satzes unwesentlich sind. Bei den betreffenden weglassbaren Satzgliedern handelt es sich meistens um adverbiale Bestimmungen: Lokal- und Direktionalangaben (Ort und Richtung), Temporalangaben (Zeitpunkt und Dauer) sowie Modalangaben (Art und Weise) sowie Begründungs- und Kausalangaben (Grund und Ursache). Aber auch freie Dative (→ freier Dativ) können entfernt werden, ohne dass ungrammatische Sätze entstehen. Mit Hilfe der W. kann jedoch nicht trennscharf zwischen freien Angaben und fakultativen Ergänzungen unterschieden werden. (Vgl. Tarvainen 2000, 24ff.; zu den valenzgrammatischen Testverfahren vgl. auch Thümmel 1993, 186ff; Eroms 2003, 163; Storrer 2003, 771ff.)

Beispiel: Lucas fährt mit vollgepacktem Rucksack in hohem Tempo mit seinem neuen Fahrrad unsicher über die Kreuzung neben dem Rathaus. > Lucas fährt in hohem Tempo mit seinem neuen Fahrrad unsicher über die Kreuzung neben dem Rathaus. > Lucas fährt mit seinem neuen Fahrrad unsicher über die Kreuzung neben dem Rathaus. > Lucas fährt unsicher über die Kreuzung neben dem Rathaus. > Lucas fährt über die Kreuzung neben dem Rathaus. > Lucas fährt über die Kreuzung. > Lucas fährt.

Der Satz besteht am Beginn der W. aus 7 Satzteilen (Fritz – mit vollgepacktem Rucksack – in hohem Tempo – mit seinem neuen Fahrrad – unsicher – über die Kreuzung – neben dem Rathaus). Man kann ihn verkürzen und somit vereinfachen, indem man einen oder mehrere davon weglässt. Als syntaktisches Minimum ergibt sich schließlich Lucas fährt. Alle anderen Elemente stellen darüber hinausgehende Erweiterungen (also bloß fakultative Ergänzungen und freie Angaben) dar. Die W. ist also eine Methode, grammatisch Notwendiges von Nicht-Notwendigem voneinander zu unterscheiden und so Satzbaupläne (→ Satzbauplan) zu ermitteln.

→ Ergänzung, → Valenz, → Valenzgrammatik

Lit.: Bünting, K.-D./Bergenholtz, H., Einführung in die Syntax. Grundbegriffe zum Lesen einer Grammatik. 1979.Duden. Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch. 7., völlig neu erarb. u. erw. Aufl. 2006, 142. Eroms, H.-W., Die Wegbereiter einer deutschen Valenzgrammatik. In: Ágel, V./Eichinger, L.M./Eroms, H.-W./Hellwig, P./Heringer, H.J./Lobin, H. (Hrsg.), Dependenz und Valenz. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 1. Halbbd. 2003, 159-169. Glinz, H., Die innere Form des Deutschen. 1952. Helbig, G./Schenkel, W., Wörterbuch zur Valenz und Distribution deutscher Verben. 71983. Tarvainen, K., Einführung in die Dependenzgrammatik. 22000. Thümmel, W., Westliche Entwicklungen. In: Jacobs, J./Stechow, A. von/Sternefeld, W./Vennemann, Th. (Hrsg.): Syntax. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 1. Halbbd. 1993, 130-199. Storrer, A., Ergänzungen und Angaben. In: Ágel, V./Eichinger, L.M./Eroms, H.-W./Hellwig, P./Heringer, H.J./Lobin, H. (Hrsg.), Dependenz und Valenz. Ein internationales Handbuch zeitgenössischer Forschung. 1. Halbbd. 2003, 764-780. Welke, K, Valenzgrammatik des Deutschen. Eine Einführung. 2011. VA

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